Freitag, 15. September 2006

Kreuzerhöhungsfest am Wallfahrtsort Oke Orco de Quillacas

Gegen 11.30 Uhr bin ich gestern zur sechsstündigen Fahrt nach Oke Orco de Quillacas aufgebrochen. Ich wollte schon früher in meinem Jeep sitzen, aber ein Buch des verstorbenen Kardinals Franz König aus Wien hielt mich in Bann. Er schrieb über die christlichen Grundlagen des Abendlandes und näherhin Europas. " Ein Europa ohne christliche Werte ist ein Vakuum, in dem niemand auf Dauer leben kann." Man kann nur hoffen, dass dies unserem Europa noch früh genug bewusst wird.

Die Fahrt ging über Guadalupe, wo ich noch immer, auch eine Woche nach den Feierlichkeiten, einige "borrachos", wie die Betrunkenen hier so nett genannt werden, in einem Hinterhof sah. Dann ging es 500 Meter in Serpentinen bergab nach San Antonio de Esmoruco. Mein Baumeister war gerade im Kirchenhof und da es 13.15 Uhr war, fragte ich ihn natürlich, ob seine Frau noch etwas Mittagessen habe. "Natürlich", meinte Don Joaquin und begleitete mich zu seiner Hütte. Man muss in diesen Breiten immer froh sein, etwas zum Essen zu bekommen, besonders wenn man wie ich eine sechsstündige Gebirgsfahrt vor sich hat. Zwei Teller Suppe servierte mir seine Frau. Wir sprachen noch etwas über den LKW Transport, der Baumaterial anlieferte. Da er nicht alles laden konnte, blieben noch einige Sack Zement in Tupiza zurück.

Gegen 13.30 Uhr ging’s weiter ans Grenzdorf Rio Mojón. Katechet Mario begrüßte mich. " Was macht eigentlich die Abrechnung für die Lebensmittel der Schule?", meinte ich. Immerhin bekamen sie 500 US $ und sollten schon bis Ende Juli die Abrechnung vom ersten Halbjahr vorgelegt haben. "Ja, die autoridades (Dorfmandatsträger) seien etwas nachlässig in diesen Dingen", so Don Mario. Das werde ich ihnen schon beibringen, dass sie etwas besser spüren und sich an Vereinbarungen halten. Da ich noch etwa zweieinhalb Stunden Fahrt vor mir habe, konnte ich mir diesen Fall etwas überlegen.

Es ging nun durch ein sehr zerklüftetes Tal. Rechts und links hohe Felswände. Fast schon Angst einflössend. Ich hielt mehrere Male an, um Fotos mit meiner aus Deutschland mitgebrachten Digitalkamera zu schießen. Es ging durch einen Felsspalt hindurch, den zwei herabgestürzte riesige Felsbrocken gerade noch zur Durchfahrt mit dem Jeep gelassen haben. Ich fahre auf Grund des sehr sandigen Untergrunds im derzeit trockenen Fluss mit dem Vierradgetriebe. Ich kenne die Gegend recht gut, aber bald bei jeder Fahrt ändert sich doch etwas die Spur im Flussbett. Man ist dann doch etwas froh, nach über einer halben Stunde mutterseelenallein zu fahren, wieder offene Landschaft vor sich zu haben. Der Fluss wird enorm breit, aber bald schon sehe ich das Dorf Rio Seco.

Der Name "Rio Seco" beschreibt die Landschaft, nämlich trockener Fluss. Die Kinder springen schon auf meinen Jeep zu. Lehrer Alvarado und seine Frau begrüßen mich. Sie sind wie ich froh, dass wir uns wieder treffen. Ich spiele mit den Kleinen etwas Fußball und dann versammeln wir uns auch schon im Schulraum. Lehrer Alvarado hat über die Dorflautsprecher zur Versammlung aufgerufen. Wir sprechen etwas über das Leben und die Neuigkeiten im Dorf. Man sei mit den Vorbereitungen für eine Miniolympiade beschäftigt, zu der alle Dorfschulen des Distrikts eingeladen sind. Lehrer Alvarado und seine etwa 50 Schüler haben gerade auf dem großen Fußballfeld Markierungen für die Sprintwettbewerbe gezogen. Dann komme ich zu meinem Thema. Ich bringe etwas meine Verwunderung, um nicht zu sagen Ärger über die Comunidad Rio Mojón zum Ausdruck, die mir nicht die Abrechnung für die Schulnahrung übergeben hat. " So kann es nicht weitergehen. Es muss etwas geschehen", meinte ich. Damit sie aus dieser Schlamperei lernen, werde ich Euch die 500 US $ übergeben. Wir besprechen die anfallenden Projekte in diesem Dorf. Die Bürger sind natürlich äußerst froh über dieses willkommene Geschenk. Wir bessern etwas die Schulnahrung mit Obst, Gemüse und Milch auf. Ferner bekommen sie eine neue Batterie und zudem einen Herd mit Gasflasche. Dazu noch Besteck und Teller.

Es ist schon nach 18.00 Uhr, als ich mich dann zur fast lebensgefährlichen Auffahrt in den 20 Minuten entfernte Wallfahrtsort Oke Orco de Quillacas aufmache. Ganz enge Serpentinen und eine enorm steile Auffahrt. Alles sehr sandig, sodass man nicht wagen kann, auch nur einmal anzuhalten. Der Jeep würde nämlich nicht mehr vorankommen, sondern nach Hinten wegrutschen. Da dürfen die Bremsen des Jeeps nicht versagen. Die Bürger selbst haben in einer dreijährigen Arbeit mit Spaten und Hacke diesen Weg angelegt. Keinerlei staatliche Hilfen. Ich selbst habe noch an einigen Stellen, wo ich selbst mit meinem Jeep kaum die engen Kurven nehmen konnte, den Bürgern Verbesserungen vorgeschlagen.

In Quillacas erwartet mich schon Katechet Claudio, ein guter Leader der Comunidad. Auch mein Katechet aus Esmoruco taucht auf. Er ist " Registro Cicil" und hat die standesamtlichen Trauungen vorgenommen. Wir gehen zusammen in die Wallfahrtskirche, beten etwas in unseren Anliegen und dann zeigt mir Dom Claudio meine neue Hütte neben der Kirche. Ich habe ihm vor Monaten etwas Baumaterial gegeben, sodass er mir sie neu decken, streichen und vor allen Dingen einen Fußboden einbauen konnte. Mein Bett steht auch in einer Ecke. Mit einem Esel haben sie es durch das ganze Flusstal geschleppt. Mir ist es immer wichtig, ein eigenes Zimmer und wenn es auch eine noch so baufällige und primitive Hütte ist, zu haben. Da bin ich für mich, schlafe meist recht gut und bin dann auch gut aufgelegt für den Dienst.

Nach dem Abendessen im Schulhaus beginnt die Eucharistiefeier am Vorabend des Kreuzerhöhungsfestes. Ich sitze hinter dem Altartisch und vor dem Hochaltar und höre gut und gerne eine Stunde die Beichten. Danach werden die Messintentionen aufgenommen, und gegen 21.00 Uhr beginnt die feierliche Vorabendmesse. Es ist erstaunlich warm in der Hochgebirgskirche auf 3.850 Metern. Über 100 Gläubige haben sich versammelt. Viele Argentinier sind gekommen, da Quillacas unweit der Grenze liegt. Gegen 23.00 Uhr schließlich liege ich in meinem Bett. Ich bin gerade am Einschlafen, als draußen mächtige Dynamitdetonationen losgehen. Aha, der " pasante", der Ausrichter des Festes, lässt diese Knaller los, ein Brauch an allen kirchlichen Festen.

Gegen 7.30 Uhr steige ich aus meinem Bett. Ich öffne die Türe der Hütte und lasse die Sonnenstrahlen eindringen. Dann kommt auch schon Claudio mit einem Eimer Wasser, das besonders hier sehr wertvoll ist, denn die Comunidad leidet unter Wassermangel. Zur Vorsorge habe ich allerdings immer noch eine 2 Liter Plastikflasche bei mir mit Wasser. Ich stelle meinen Stuhl draußen in die Sonne und wasche mich, besonders angenehm ist es, etwas Wasser an die Füße zu bringen. Dann geht’s zum Frühstück und wenig später sind wir schon wieder in der Wallfahrtskirche. Ich spreche mit den beiden Paaren, die heiraten wollen. Ich nehme die Papiere auf, schreibe wieder Messintentionen, höre danach nochmals eine ganze Menge Beichten, ehe die eigentliche Festmesse beginnen kann. Nochmals sind über 100 Gläubige anwesend. Die Katecheten sprechen nach meinen Predigtworten. Die Messe dauert recht lange, ehe wir am Ende des Gottesgottesdienstes zur Prozession übergehen können.

Gegen 13.30 Uhr gibt es Mittagessen. Dieses Mal gleich von drei Seiten. Die beiden Hochzeitspaare bringen Essen ins Schulhaus und auch der "pasante". Ich kann natürlich nicht alles essen, aber meine beiden Katecheten scheinen wie nichts die drei Mittagessen zu verkraften. Sie haben ja auch die Woche über nur etwas Suppe.

Erst spät treffe ich zum Dienst in Rio Seco ein. Nochmals eine Eucharistiefeier mit den Schülern, danach die Elternversammlung und schon in der Dämmerung mache ich mich zur Rückfahrt und damit zur fast beängstigenden Fahrt durch das enge Flusstal auf. Die hohen Felswände scheinen einem förmlich erdrücken zu wollen. Aber ich habe einen Katecheten und die Lehrerin mit ihren drei Kindern dabei. So ist es abwechslungsreicher. Auf der Fahrt höre ich auf der 9,545 etwas die Deutsche Welle. "Man hoffe auf einen weiteren Papstbesuch in Dtl.", so heißt es, nachdem Papst Benedikt bei seiner Verabschiedung in Bayern sagte:" Auf Wiedersehen, so Gott will". Es war wieder ein beeindruckender Papstbesuch gewesen. Man kann nur hoffen, dass sich durch diese Ereignisse doch der eine oder andere der Kirche Fernstehende wieder für das Leben in und mit der Kirche entscheidet.

Heute ist natürlich ein Ruhetag nach dieser doch etwas strapaziösen Tour angesagt. Ich wasche etwas und widme mich dem Lesen.

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