Donnerstag, 12. Oktober 2006

Kein Geburtstagskuchen

Schon um 6.45 dröhnten die beiden Lautsprecher auf dem Bürgermeisteramt. Man trommelte die gesamte Bürgerschaft zusammen, um Pfosten für die Netze zum Fangen der Bicuñas zu setzen. Bicuñas gehören zur Familie der Lamas und ihr Fell ist besonders wertvoll für die Wolle. Obwohl es noch Minusgrade draußen hatte, störte das die Verantwortlichen nicht. Und das am Sonntag. Als ich draußen auftauchte, wartete man auf die Autoschlüssel des Dienstfahrzeuges des Krankenhauses, um die Eisenpfosten transportieren zu können. Doch unser guter Arzt lag anscheinend noch in der Falle und man getraute sich nicht, ihn zu wecken. Ich selbst drehte meine morgendliche Runde und widmete mich dann dem Frühstück. Trotz meines 52. Geburtstages keinerlei Kuchen. Nun, wer wusste auch um meinen Geburtstag. In den 8.oo Uhr Nachrichten hörte ich, dass Ferrari beim entscheidenden Rennen in Suzuka ein Eigentor geschossen hatte und somit Schumis Chancen auf den achten WM Titel praktisch auf Null gesunken sind. Ich widmete mich danach noch etwas einem interessanten Buch über die Gründung des Staates Israels. Es behandelt besonders die Jahre vor der Staatsgründung und das doch weitgehend friedliche Zusammenleben von Juden und Arabern.

Gegen 9.45 Uhr machte ich mich auf den Weg ins Andendorf Río San Pablo. Schon am Vortag hatte ich die Lesungen ausgedruckt und für die Leute einen kleinen Kommentar dazu verfasst. Es ging am heutigen 27. Sonntag im Jahreskreis um die Ehe. Schon von Anfang an hatte Jahwe die Grundlagen für die Ehe geschaffen, erklärte ich meinen Gläubigen. Als Mann und Frau hat er die beiden Geschöpfe geschaffen. Bildlich schön schildert uns dies der Schöpfungsbericht, wie nämlich Jahwe Adam eine Rippe entnahm und daraus seine Frau formte. Was könnte uns dies sagen? Ich meinte, dass Mann und Frau aufeinander hingeordnet seien. Gott selbst gibt im Sakrament seinen Segen für dieses Paar. Leider wollen heutzutage nur sehr wenige Paare diesen Segen empfangen. Der Katechet sprach daraufhin in Quechua, und schließlich ergriff Lehrer Riso das Wort. Er kam wie immer weit vom Thema ab und sprach plötzlich von Verhütungsmitteln und dass die Bibel das beste Präservativ sei. Das rang mir und einem mir gegenübersitzenden Lehrer doch ein Schmunzeln ab. Andere Indiofrauen senkten ihr Haupt, wieder andere schüttelten den Kopf. Dann sprach Don Riso über die Probleme seiner eigenen Ehe, die man aber besser in einer persönlichen Beichte abhandeln würde. Er hätte sich schon öfters scheiden lassen wollen wegen der ständigen Probleme etc. Gut, dass nach ihm noch ein Lehrer und eine Lehrerin sprachen und ihre positiven Erfahrungen in der Ehe uns mitteilten. Ich musste dann doch noch mal das Wort ergreifen, um alles etwas abzurunden. Ohne Zweifel, meinte ich, gibt es im Leben immer wieder Probleme, aber Gott hat uns auch den Verstand mitgegeben, um Lösungen zu finden. In einem solchen Suchen und Finden werden wir erst große Menschen. Nun, unsere Leute haben ehrlich gesprochen und allein das ist schon hoch anzurechnen. Wie lange habe ich in den Dörfern gebraucht, um unsere Leute überhaupt zum Sprechen über das Evangelium zu ermuntern. Dass die heutige Sonntagsmesse bald zwei Stunden dauerte, störte aber Niemanden. Ich muss da unwillkürlich an eine Sonntagsmesse in Käfertal im Heimaturlaub denken. Ich hatte nach der Messe die Autosegnung. Wie es so meine Art ist, sprach ich mit vielen Familien etwas. Plötzlich kam ein Kirchenmietlied auf mich zu und gab mir zu verstehen, dass die Mesnerin nach Hause müsste, denn es sei Zeit, das Essen zu richten! Ein bisschen südamerikanische Gelassenheit in Dtl. und etwas deutsches Planen hier und vieles wäre sicherlich besser.

Nur etwa 100 Meter weiter oben im Dorf sehe ich Don Santos, wie er in seinem Sektentempel vor dem Pult steht. Einige Frauen sitzen vorne, wie ich flüchtig im Vorbeigehen erkennen kann. Wir essen bei Lehrer David in seinem Haus. Es gibt eine Quinoasuppe und danach etwas Reis mit winzig kleinen Fleischstückchen. Danach fahre ich wieder nach San Pablo zurück.

Ich höre noch in den Nachrichten, dass morgen ganz La Paz zum Stillstand gebracht werden soll. Selbst die Autopista, die die Oberstadt El Alto mit La Paz verbindet, soll blockiert werden. Allem Anschein nach nimmt die Unzufriedenheit mit der Regierung weiter zu. Allerdings wüsste ich nicht, sollte der jetzige Präsident zurücktreten müssen, wer das Amt übernehmen könnte. Problematische Minister scheint er nach den Unruhen in Huanuni ausgewechselt zu haben. Zu Hause lese in meinem Buch weiter. Ich genehmige mir dabei allerdings zumindest eine Tasse Kaffe zum Geburtstag. Ein Geburtstag auf eben eine andere Art, so könnte man diesen Tag überschreiben. Letzte Aktualisierung ( Tuesday, 10. October 2006 )

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

For infos, nice stories and fotos have a look at: http://www.impresiones-de-los-andes.org/