Samstag, 6. Juli 2013

Ein LKW durchbricht mir den vereisten Fluss

Im Hochland sind wir im klirrend kalten Winter. Die Temperaturen fallen am Morgen auf bis zu minus acht Grad. Zum guten Glück wärmt es tagsüber etwas auf. Zumeist haben wir Temperaturen um die fünf bis sieben Grad plus herum. Doch das reicht zumeist nicht aus, dass unsere Flüsse tagsüber auftauen können.

Es stand mein Außendienst im 24 Kilometer entfernten Bergdorf Río San Pablo an. Wie sollte ich durch die vereisten Flüsse mit dem Jeep komme, denn die Fahrt geht zum größten Teil durch ein Flusstal? Den riesigen Umweg wollte ich nicht nehmen, denn neben der viel längeren Fahrtzeit bräuchte ich auch einige Liter mehr an Benzin für den Jeep. Und Benzin ist seit Monaten nur sehr schwer zu bekommen. Es dürfen keine Fässer mehr an den Tankstellen in Uyuni und Tupiza gefüllt werden. Früher brachte mir ein LKW gleich zwei oder drei Fässer nach San Pablo auf die Missionsstation. In unserem gesamten Pfarrgebiet gibt es nämlich keine einzige Tankstelle. Nach Tupiza und Uyuni sind es fünf, bzw. vier Stunden Fahrzeit. Man müsste eben dort an der Tankstelle den Tank erst mal füllen lassen und dann in irgendeinem Hinterhof mit dem Schlauch das Benzin aus dem Tank saugen und in einen Plastikkanister abfüllen. Mit diesem aber im geschlossen Jeep zu fahren ist wegen der immer wieder austretenden Dämpfe recht unangenehm und gar nicht so ungefährlich, denn öfters fährt man an offenem Feuer auf dem Land vorbei.

Also versuchte ich die kürzere Strecke durch den Fluss zu nehmen. Etwa sieben Kilometer hinter San Pablo zweigt die Strasse ab. Ich sah einige Autospuren dem Fluss zugehen. “Wird es gut gehen, fragte ich mich?” Ich bin zudem ohne Beifahrer. Die erste Flussdurchquerung klappte ohne Probleme. Das Eis war von einem voranfahrenden LKW gebrochen worden. Nach etwa 12 Kilometern dann die entscheidende Stelle. Hier staut sich das Eis zumeist. Wenn ich von da zurückfahren müsste, gute Nacht. Ich sah die Abfahrt zum Fluss und etwas Eis. Neben der Spur große Eisschollen. Ich stieg erst mal aus, um mir die Sache genau anzuschauen. Wo hat der LKW das Eis gebrochen? Ich konnte nichts erkennen. Es war nämlich dermaßen kalt, dass das Eis schon wieder zugefroren war, das der LKW vor ein paar Stunden weggeschoben hatte. Ich konnte allerdings sehen, dass das Eis unter der Reifenspur doch dünner war. So wagte ich die Abfahrt in den Fluss. Es knirschte etwas, aber ich kam recht gut durch. Der Rest des Weges bietet derzeit keine Schwierigkeiten mehr, da die Straßenbaufirma, die unsere neue internationale Strasse nach Argentinien anlegt, schon mal eine Umleitung neben dem Fluss freibaggerte, die man relativ gut befahren kann.

In San Pablo begrüßte mich schon mein guter Katechet Ovidio lautstark und umarmte mich. Er war schon in Sorge, ob alles gut mit der Fahrt gehen würde. Die Erleichterung war ihm anzusehen, als er mich sah. “ Hermano, nach dem Sonntagsgottesdienst, werden wir in meiner Hütte Nudeleintopf speisen”, meinte Ovidio froh gestimmt zum mir. Er weiß, dass ich seinen Nudeleintopf besonders gerne esse.

Mit einem Stein schlägt Ovidio an ein Eisenstück, das an einem Pfahl am Dorfplatz hängt. Das sind unsere Glocken. Je nach Schlag wissen die Leute, ob es der erste Glockenruf ist oder der letzte, also der dritte. Wegen der Winterferien sind viele Familien ausgeflogen  und es versammeln sich so nur ganz wenige zum Gottesdienst. Beim Sektenpastor drunten kommen lediglich vier Teilnehmer, also dürfen wir mit unseren acht Teilnehmern sehr zufrieden sein.

Nach dem Gottesdienst ziehe ich mich in Ovidios Hütte zurück. Er hat seit einer Woche einen neuen Herd, der mit Holz gefeuert wird. Es ist wollig warm in der Hütte. Ovidio macht sich an den Töpfen zu schaffen. Die Nudeln werden erst einmal in heißem Fett etwas angebräunt, dann kommt das Wasser in den Topf und die Zutaten. Ovidio hat schon getrocknetes Lamafleisch zerstückelt und wirft es in den Topf. Wir unterhalten uns während des Kochens über das und jenes. Die Zeit vergeht schnell und schon ertönt die kräftige Stimme von Ovidio:” Hermano, Dein Lieblingsgericht ist fertig.” Er reicht mir einen Teller aus Ton und wir setzten uns auf sein Bett direkt vor dem Herd. Unsere Leute begnügen sich vielfach mit dem Bett als Sitz. Wir lassen uns den Eintopf schmecken. Prima, lecker, das ist in echtes Sonntagsessen. Ich muss an einen Mitbruder denken, der schon über 40 Jahre im Kongo arbeitet. Er erzählte, dass er in einer Hütte neben den zwei hartgekochten Eiern und einem Brei etwas Undefinierbares auf seinem Teller fand. Es waren drei gebratene Raupen. Eine brachte gerade so hinunter, die anderen zwei verspeisten die Kinder mit ganz großer Freude. da geht es uns hier ja enorm gut. Da es so schön mollig warm in der Hütte ist, lege ich mich nach dem Essen noch eine halbe Stunde auf dem Bett Ovidios ab. Als ich aufwache, frage ich mich, wo denn Ovidio ist. Ich mache vorsichtig die alte Holztüre der Hütte auf, die nur notdürftig zusammengenagelt ist  und siehe an, Ovidio hat sich vor der Hütte auf eine Matratze aus Stroh auf den Boden gelegt und dämmert vor sich hin. “ Aber Ovidio, ist es Dir nicht zu kalt, meine ich?” Nein, nein, ich habe ja den Parker an, den Du mir geschenkt hast und zudem bestrahlt mich etwas die Sonne, so Ovidio.” Wie genügsam doch unsere Leute sind und wie sie ihren Gast verwöhnen. In Dtl. hatte ich mich einmal bei einem meiner vielen Besuche nur nach dem Essen etwas abgelegt und sie waren danach ganz in Sorge über ihre Daunendecke, die nun verkrumpelt war, da ich mich einfach darauf legte!!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

For infos, nice stories and fotos have a look at: http://www.impresiones-de-los-andes.org/