Das tiefst gelegene Bergdorf, Erfahrungen aus den Höhen der Anden
Der überwiegende Teil meiner vierzehn Berggemeinden liegt hoch oben, auf einer beeindruckenden Höhe von etwa viertausend Metern. Diese Orte thronen über den Wolken, in einer Welt, in der die Luft dünn ist und sich das Leben dem Rhythmus der Berge anpasst. Doch vergangenen Sonntag führte meine Reise in eine andere Richtung – hinab, zu jenem Dorf, das unter meinen Gemeinden am tiefsten liegt.
Florida, so der Name dieser Siedlung, klingt zunächst wie ein sonnenverwöhntes Paradies. Doch dieser Ort schmiegt sich auf immerhin beachtlichen 3.500 Metern an den Berghang. Was in tieferliegenden Regionen als hoch gelten würde, erscheint hier fast als Tal – ein Relativum, das nur die Anden selbst erklären können.
Der Weg dorthin war abenteuerlich. Mehr als drei Stunden dauerte die Fahrt im Jeep, jede Kurve ein Versprechen auf neue Ausblicke, jede Biegung ein Spiel mit dem Gleichgewicht. Die Straße wand sich wie ein Band durch das Gebirge, mal steil ansteigend, dann wieder sanft abfallend, stets begleitet von dem Gefühl, dass hinter der nächsten Kurve schon das eigene Ziel liegen könnte.
Während der Fahrt öffneten sich immer wieder spektakuläre Blicke auf tiefe Täler, schroffe Felsen und vereinzelte Hütten, die dem Wind und Wetter trotzen. Die Landschaft wechselte mit der Höhe: Wo oben karge Felsen und raue Gräser dominierten, fanden sich in den niedrigeren Lagen grünere Hänge, an denen einzelne Kartoffel- und Getreidefelder wie Farbtupfer wirkten.
Angekommen in Florida, wurde ich von einer überraschenden Wärme empfangen. Die Luft war spürbar milder als in den höheren Dörfern, die Menschen herzlich und offen. Das Dorf wirkte wie eine Oase auf halbem Weg zwischen Himmel und Erde – ein Ort, an dem man die Kraft der Berge ebenso spürt wie die Nähe zum Tal.
Die Erinnerung an diese Fahrt bleibt lebendig: das rhythmische Schaukeln des Jeeps über Schotter und Steine, das leise Murmeln eines Baches, das irgendwo im Tal seinen Weg suchte, und das Gefühl, mit jedem Höhenmeter eine neue Facette dieser atemberaubenden Landschaft zu entdecken.
So hat mich Florida gelehrt, dass selbst auf 3.500 Metern das Leben ungeahnte Vielfalt und Schönheit bereithält – und jeder Weg, so kurvenreich er auch sein mag, neue Perspektiven eröffnet. Die Gemeinde erwartete mich bereits mit gespannter Vorfreude, und als Erstes gab es ein gemeinsames Frühstück in einer einfachen Hütte. Ich war überrascht, welch schmackhaftes, duftendes Brot hier in den Höhen der Anden gebacken wird – knusprig, warm, und mit einer Herzlichkeit serviert, die jede Kälte vertrieb.
Gestärkt machten wir uns auf den Weg zum Gemeindesaal, den wir vor inzwischen zehn Jahren gemeinsam errichtet hatten – ein Ort voller Erinnerungen und Geschichten. Dort warteten schon die ersten Aufgaben: Ich sammelte die Messintentionen der Dorfbewohner*innen, hörte ihre Anliegen und Sorgen, die sie für das Gebet anvertraut wissen wollten. In einer stillen Ecke fand ich mich wenig später bei dem Grundschüler*innen wieder. Ihre Augen funkelten neugierig, als ich ihnen vom letzten Abendmahl erzählte, von Gemeinschaft, Teilen und Hoffnung. Währenddessen hatte mein Katechet bereits begonnen, mit den älteren Kindern und Erwachsenen die Lieder für den bevorstehenden Gottesdienst einzuüben. Die Melodien mischten sich mit dem Lachen der Kinder und verliehen dem Saal eine besondere, festliche Atmosphäre.
So wurde die kleine Gemeinde von Florida an diesem Tag wieder zu einem Ort lebendiger Verbundenheit – getragen von Gesprächen, Gesang und der Freude darüber, gemeinsam einen weiteren Tag im Schatten der Berge zu teilen. Nach einigen Stunden voller Begegnungen, Gespräche und gemeinsamer Rituale neigte sich der Tag dem Ende zu. Gegen 20.00 Uhr war ich wieder zurück auf meiner Missionsstation in San Antonio de Esmoruco, erfüllt von den Eindrücken dieser Reise. Die Gemeinde in Florida freut sich immer sehr über die Besuche des Paters, und schon beim Abschied wollten die Menschen den nächsten Besuch planen. Ihren Enthusiasmus konnte ich gut nachvollziehen, doch musste ich vorsichtig bleiben: Das Benzin in Bolivien ist mittlerweile zu einer echten Herausforderung geworden.
Obwohl es mit etwa 0,55 Euro pro Liter staatlich subventioniert und eigentlich günstig ist, ist das verbilligte Benzin kaum noch erhältlich. In abgelegenen Dörfern wie Florida wird es oft nur zum doppelten Preis verkauft – sofern es überhaupt jemand dorthin bringen kann. An den Tankstellen wiederum muss man mindestens einen Tag in der Schlange stehen, und auch dann bekommt man meist nur eine begrenzte Menge, gerade genug, um die Rückfahrt zu schaffen. Eine Reserve für unvorhergesehene Wege bleibt kaum.
Trotz dieser Widrigkeiten war die Freude über den Besuch spürbar, und die Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen lebendig.
P. Claus Braun
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