Ein frostiges Morgenabenteuer auf vereisten Pisten
Der Tag begann noch vor Sonnenaufgang, als wir uns auf den Weg ins drei Stunden entfernte Río San Pablo machten. Die Kälte biss uns in die Finger und der Atem stand wie Rauch in der Luft, während wir die letzten Vorbereitungen am Geländewagen trafen. Die Straßen waren leer, das erste Licht kämpfte sich nur zögerlich über die schneebedeckten Hügel.
Schon kurz nach dem Start wurde klar, dass diese Fahrt alles andere als gewöhnlich werden würde. Die Landschaft war wie verzaubert, Bäume und Sträucher von Raureif überzogen, vereiste Pfützen funkelten im Scheinwerferlicht. Doch die größte Herausforderung erwartete uns an den Flussübergängen, wo sich das Wasser in den Nächten zu einer dicken Eisschicht verwandelt hatte.
Zum Glück hatte kurz vor uns bereits ein LKW die Strecke passiert – seine Reifenspuren zeichneten sich gut sichtbar im Schnee und auf dem Eis ab. Dank dieser Spuren war die Gefahr, an einer tückischen Stelle einzubrechen, zumindest etwas geringer. Trotzdem tasteten wir uns vorsichtig voran, das Knirschen des Eises unter den Reifen ein ständiger Begleiter. Ohne die Spuren des LKWs hätte es selbst mit den 220 PS unseres wuchtigen Geländewagens brenzlig werden können, denn die Eisdecke war an einigen Stellen erstaunlich dick, an anderen jedoch trügerisch dünn.
Mit angehaltenem Atem, voller Konzentration und einer Portion Respekt vor der Natur meisterten wir einen Fluss nach dem anderen. Die Sonne tauchte schließlich den Horizont in ein zartes Rosa und spendete erste Wärme, während wir immer tiefer in die stille, verschneite Landschaft vordrangen.
Die Kirche, die ich vor einigen Jahren renoviert hatte, ist ein weiteres Zeugnis der Zeit. Damals, als die Handwerker*innen mit viel Hingabe und Geduld den zweiten, linken Turm errichteten, erlebte ich, wie aus bloßen Steinen und Balken ein Ort der Gemeinschaft wuchs. Noch immer leuchten die Farben auf den Mauern frisch, und doch haben Wind, Regen und die Sonnenstrahlen des Hochlands bereits ihre ersten Zeichen hinterlassen – ein lebendiges Zeichen dafür, dass alles Bestehende Teil eines fortwährenden Wandels ist.
Eindrücke zwischen Erinnerung, Modernisierung und Naturgewalt
San Pablo empfing uns in der sanften Morgenkühle mit einer Mischung aus Stille und leiser Erwartung. Der Anlass unseres Besuches war ein stiller, nachdenklicher: Gemeinsam gedachten wir am Grab der Frau des Katecheten, die vor einem Jahr von uns gegangen ist. Ihre Spuren sind noch überall gegenwärtig – im Flüstern der Gemeinde, in den Blumen, die das Grab säumen, und in den Geschichten, die noch heute weitererzählt werden.
Auf der Fahrt durch das Andengebirge wurde ich erneut von den gewaltigen, schroffen Felsformationen beeindruckt, die wie uralte Wächter über das Tal ragen. Ihre Formen wirken beinahe surreal, als hätte ein Künstler mit wildem Pinselstrich an ihnen gearbeitet, und die Schatten, die sich am Nachmittag über die Schluchten legen, verleihen ihnen eine erhabene Dramatik. Es ist ein Land, das in jedem Moment Respekt abverlangt und doch immer wieder dazu einlädt, neue Perspektiven zu entdecken.
Ein kleines Detail am Wegesrand weckte Erinnerungen an alte Filme: die langen Reihen der Telefonpfosten, wie man sie aus klassischen Western kennt. Doch in San Pablo erzählen sie inzwischen eine ganz andere Geschichte. Die neuen Glasfaserkabel, die an ihnen entlangführen, bringen das schnelle Internet ins abgelegene Hochland – eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Tradition und Moderne.
Nach Stunden aufregender Fahrt, in denen das Abenteuer und die Schönheit der winterlichen Wildnis allgegenwärtig waren, erreichten wir schließlich unser Ziel: das abgelegene Río San Pablo. Der Fluss lag friedlich vor uns, umgeben von frostigen Weiden und schimmernden Bäumen – und in unserer Erinnerung leuchtete das Bild einer winterlichen Fahrt, wie sie nicht alle Tage vorkommt.
P. Claus Braun
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